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~Transalp~

Radltour von Oberstdorf zum Gardasee

Monika Güttler, gefahren Freitag 2001-07-27 bis Mittwoch 2001-08-15

Sonntag, 2001-07-29

Um 6.00 Uhr und ohne Frühstück geht es wieder los, getreu dem Motto "Morgenstund' hat Gold im Mund". Hier in der Natur, in den Bergen bewahrheitet sich das auf wunderschöne Weise. Noch ist es recht frisch. Wir tragen lange Hosen und Windjacken, weil es zunächst auf einer Schotterstraße steil abwärts geht. Bald wird der Weg aber zum schmalen, unwegsamen Gelände. Wir müssen wieder schieben - tragen, heben und hieven eine Stunde und 40 Minuten. Dieser Pfad hinunter nach "Dalaas" ist für die meisten unfahrbar, nur wenige, risikofreudige Trialspezialisten, die ein vollgefedertes, hochmodernes, mit allen Raffinessen ausgestattetes Mountainbike besitzen, haben hier ihren Spaß. Für uns ist es eine anstrengende, eine schweißtreibende Angelegenheit. Dann gibt es auch noch die sogenannten "Downhill-Fahrer". Die fahren gar nicht auf den vorgegebenen Wegen, sondern stürzen sich in direkter Falllinie den Hang hinab. Na ja, jedem das seine - ich werde sicher auch ohne Selbstmordversuche ans Ziel kommen!

Um 7.45 Uhr erreichen wir "Dalaas", wo dann auch noch die letzten Klamotten "fliegen", denn jetzt müssen wir auf der anderen Seite natürlich wieder rauf. Zum Glück ist dieser Aufstieg asphaltiert, dennoch anstrengend, weil sehr steil und lang. Zumindest können wir fahren - wenn auch nur sehr, sehr langsam. Stundenlang gurke ich im Schneckentempo, bei meinen inzwischen beliebten 4 km/h. Sollte es noch weniger werden, steige ich ab, denn dann bin ich schneller gelaufen, als gefahren, obwohl schieben nicht weniger anstrengt als fahren. Die ganze Zeit über sind wir einsam und alleine im Wald. Erst ganz zum Schluß werde ich von einigen Jungs überholt, die zügig an mir vorbeiziehen. Nein, nein, ich bin nicht frustriert, nein, nein, überhaupt nicht!

Nachdem wir am "Kristbergsattel" angelangt sind, folgt eine lange, eine sehr lange, berauschende Abfahrt nach "Schruns". Mit eiserner Hand umklammere ich meine Bremshebel. Die Knöchel treten weiß hervor, und unten habe ich Mühe, meine Finger wieder geradezubiegen (quiiietsch - au!). In "Schruns" machen wir erst mal Pause und essen gierig unsere Vorräte auf. Ich könnte immerzu essen - das Radfahren kostet ganz schön Kraft. Zwischendurch schieben wir Banane und Müsliriegel im ständigen Wechsel in uns hinein. Aber der Körper braucht's offensichtlich. Wir fahren weiter nach "Gargellen", auf einer Straße und ... bergauf, was sonst. Gegen 14.00 Uhr erreichen wir den Ort. Ich bin völlig entkräftet. Stunde um Stunde, immerzu bergauf - ich hab' schon wieder Hunger. Am Ende des Ortes finden wir ein hübsches Gartenlokal und essen Gemüseteller, und anschließend noch Kaiserschmarrn - mh, lecker. Die Sonne brennt heiß. Vorsichtshalber nehme ich eine Tablette, weil ich leichte Kopfschmerzen spüre, und das kann ich jetzt wirklich nicht brauchen. Denn nun müssen wir das 2200 m hoch gelegene "Schlappiner Joch" überqueren. Das wird noch mal ein Kraftakt. Nach dem Essen dösen wir noch eine halbe Stunde in einem Sonnenstuhl. Um 15.00 Uhr fahren wir weiter, schweren Herzens zwar, denn hier im Garten ist es sehr schön und so ruhig. Zunächst steigt eine Straße steil bergan, die dann in einen Schotterweg mündet. An Kuhherden und bunt blühenden Wiesen vorbei, strampeln wir mühsam unserem Ziel entgegen. Schließlich wird der Weg wieder so steil, steinig und schmal, daß wir schieben und tragen müssen. Zwei Stunden schieben und zerren wir unsere armen Räder Richtung Joch. Auf einmal fängt es an zu regnen und zu hageln und es wird schnell kühler. Rasch ziehen wir die Rucksackhüllen und Regenjacken über. Der Anstieg ist wahnsinnig anstrengend!!! Immer wieder hebe ich das Rad auf die Schulter, bis diese schmerzt, um dann wieder zu wuchten, zu zerren und zu schieben. Die Minuten kommen mir vor wie Stunden. Immer öfter schaue ich sehnsüchtig hoch, in der Hoffnung, das Joch möge doch jetzt endlich in greifbare Nähe rücken. Aber weit über mir sehe ich nur mehrere kleine, bunte Punkte. Au weh, andere Radler, noch so weit weg ...!!! Endlich, um 18.00 Uhr sind wir oben, an der Grenze zwischen Österreich und Schweiz. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen. Nun geht es auf der anderen Seite des Jochs wieder abwärts, allerdings in der selben Manier wie zuvor aufwärts. Wir tragen, stoßen, zerren die Räder den schmalen Wanderpfad über Stock und Stein den Hang hinab nach "Schlappin" in der Schweiz. Nach einer Stunde kommt uns ein Mountainbiker entgegen, der heute noch nach "Gargellen" rüber möchte. Der Ärmste, oder soll ich besser sagen, der Verrückte, wird in die Dunkelheit kommen. Ich werde immer langsamer, habe kaum noch Kraft, mein Rad ständig über große Steine zu heben. Ab und zu kommt Ro mir zu Hilfe, trägt und schiebt nicht nur sein, sondern auch mein Rad lange Strecken nach unten. Damit es auch ein bißchen schneller geht, denn wir wollen nicht unbedingt in die Dunkelheit kommen. Die Landschaft um uns herum ist so schön, so malerisch. Immer den Blick auf die grandiosen Berge, diese teilweise mit Schnee bedeckt, auf den Grasmatten blüht es bunt, duftet es nach Heu, und überall kommen kleine, sprudelnde Bäche den Hang herab. Diese Wasserläufe müssen wir auch immer wieder überqueren. Einmal rutsche ich ab und stehe mit beiden Füßen bis zum Knöchel voll im Wasser. Da nutzt auch die beste Membran nix mehr. Schuhe und Füße sind natürlich pitschnaß. Die Schuhe waren ja vom Regen schon oberflächlich feucht, aber jetzt ... Das wird dauern, bis die wieder trocken sind.

Ab "Schlappin", eine kleine Häuseransammlung, gibt es endlich wieder einen asphaltierten Fahrweg, der sehr, sehr steil und kurvig nach "Klosters" führt, für heute die Endstation. Mit letzter Kraft "würge" ich meine Bremshebel. Die Bremsbacken müssen qualmen, hoffentlich halten die!!! Ro rauscht diese steilen Abfahrten mit kindlicher Begeisterung fast ungebremst nach unten. Kurz überlege ich, vielleicht doch lieber zu laufen, weil's gar so steil ist. Aber meine Beine sind soooo müde, daß ich den unsinnigen Gedanke sofort wieder verwerfe, doch froh, endlich sitzen zu können. 20 Minuten dauert die berauschende Abfahrt und wird am Ortsrand von "Klosters" abrupt gestoppt. Pffff - Ro's Hinterreifen verliert Luft und ... ist platt - auch das noch, nach so einem anstrengenden Tag. Na ja, zum Glück hat Ro einen Ersatzschlauch und das erforderliche Werkzeug dabei. Während er repariert, frage ich einige Passanten nach dem Weg zu unserer Pension. An den Schweizer Dialekt, die Aussprache muß ich mich erst gewöhnen. Hier heißt's z. B. nicht Fahrrad, sondern Velo und auch nicht aufwiedersehen sondern aufwiederluaga. Hört sich witzig an. Um 20.00 Uhr kommen wir dann endlich in der schon vorreservierten Unterkunft mitten im Ort an. Zum Glück müssen wir jetzt nicht noch ein Zimmer suchen. Die Leute sind sehr nett, und wir bekommen ein hübsches Zimmer im Erdgeschoß. Dusche und Toilette sind im zweiten Stock. Alles ist ganz urig und liebevoll hergerichtet. Hier fühlen wir uns gleich pudelwohl. In dem kleinen Zimmerchen fängt es aber schnell an zu stinken, nachdem wir unsere Schuhe und Klamotten ausgezogen und überall im Raum verteilt haben. Aber es nutzt ja nichts, das Zeug muß so schnell wie möglich trocknen. Von der Wirtin bekommen wir sogar einen Schuhtrockner. Das ist so eine Art Föhn, den man in die Schuhe reinsteckt. Nach einer genußvollen, langen und heißen Dusche will Ro unbedingt noch etwas essen gehen. Ich würde ja lieber gleich ins Bett fallen, selbst zum essen zu müde. Um 21.45 Uhr sitzen wir dann endlich, als einzige Gäste in einer Pizzeria. Zwar hätten wir gerne Spaghetti gegessen, bekommen aber "nur" noch Pizza. Die allerdings schmeckt hervorragend. Diese Nacht schlafen wir beide tief und fest. Kein Wunder, waren wir doch 14 Stunden unterwegs, im Sattel, oder auf den Beinen.

Höhenmeter:2'400 m
Strecke:59 km
AVS: - 
Fahrzeit: - 

(Durch Trage- und Schiebestrecken, und weil der Tacho manchmal ausfällt, lassen sich Daten wie Durchschnittsgeschwindigkeit oder Fahrtzeit nicht immer exakt bestimmten.)

Montag, 2001-07-30

© Monika Güttler