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Fahrradtour durch Deutschland, Schweden, Norwegen und Finnland

Karl Brodowsky, gefahren 1987-07-21 - 1987-09-04, geschrieben 1994

Teil 4

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Nun, den Rest des Weges bis Narvik schaffte ich am nächsten Tag. Schon lange vorher konnte man über das Wasser die Erzverladeeinrichtungen sehen, aber auch die schönen Berge vor denen die Erzschiffe wie Spielzeuge aussahen. Das, was in Trondheim so eine Entfernungsangabe (ich glaube 900) war, hatte sich als recht interessanter Weg erwiesen. Da machte ich eine Stadtbesichtigung, aus der dann eine nächtliche Stadtbesichtigung mit ein paar Einheimischen zusammen wurde, die fast bis zum Sonnenaufgang dauerte. Der war damals (ca. Ende Juli, glaube ich) aber schon so um 3 Uhr (Sommerzeit). Bei den Preisen für alkoholische Getränke war wenigstens das Finden des Zeltes hinterher garantiert nicht mit Problemen verbunden.

Irgendwann war die Sonne aber so heiß und die anderen Leute so laut, daß ich aufwachte. Es war aber wirklich hauptsächlich die Hitze. Ich machte mich dann auf den Weg nach Norden. Nach der Überquerung des dortigen Fjordes (Rombaksbotn, natürlich mit einer Brücke) gab es einen schönen Badestrand. Leider war das Wasser in dem Jahr oder an dem Tag trotz Golfstrom und Sonnenschein so kalt, daß ich nicht mehrere Minuten schwimmen wollte. Aber weil es dann ins Landesinnere gehen sollte, wollte ich die letzte Gelegenheit mit wenigstens diesen Temperaturen noch ausnutzen. Es kam nämlich die Abzweigung, wo es geradeaus zum Nordkap und nach rechts nach Schweden ging. Da bog ich rechts ab. Warum fuhr ich nicht zum Nordkap, wenn ich schon in Narvik war? Nun, das ist wohl von Narvik fast genauso weit entfernt wie Trondheim. Außerdem fährt jeder zum Nordkap. Originell wird die Sache doch erst, wenn man bis Kirkenes oder bis Jacobselv fährt, das liegt schon nah an der russischen Grenze und ist noch einmal etwa 500 km vom Nordkap entfernt. Das muß man aber dann noch sorgfältiger vorbereiten, weil das dann sehr dünn besiedelte Gebiete sind, die fast keine Infrastruktur haben, aber die unter Umständen ein subpolares Klima aufweisen. Und irgendetwas mußte ich eben auch für das nächste Mal noch aufheben. Fürs erste ist jetzt Narvik für mich das Ende der Welt.

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Die Baumgrenze ist bei Narvik schon sehr nah an den Meeresspiegel gerutscht. Aber Blaubeeren, Himbeeren und Erdbeeren gab es in der Gegend noch, sogar Multebeeren, direkt neben der Nationalstraße. Die kletterte langsam auf eine felsige Hochebene, wo dann die schwedische Grenze und die Gemeindegrenze von Kiruna kam. Von da sind es aber noch 135 km bis zu dem eigentlichen Ort, die durch fast unbewohntes Gebiet laufen. Da fand ich dann auch einen schönen kleinen See, an dessen Ufer ich zelten konnte. Ein Feuer zum Kaffeekochen ließ sich bei dem Löschwasservorrat, der auch als Trinkwasservorrat diente, dann auch verantworten. Sonst habe ich das mit einem Esbitkocher gemacht, der leicht war und ausreichte, um Kaffee oder warmen Zitronensaft (aus Vitamin C, Wasser und einem Süßmittel) zu kochen, weil man ja nicht zu viele Wälder anzünden soll.

Diese Gegend von Kiruna ist ein breites flaches Tal mit ein paar Seen neben der Straße und der Eisenbahnlinie Kiruna - Narvik direkt ein paar 100 m neben der Straße. In der Ferne waren Berge zu sehen. Die zweite Nacht in Kiruna war im Ortskern, zur Abwechslung einmal wieder in einer Jugendherberge. Die war ganz lustig aufgebaut, denn sie bestand aus einigen kleinen Häuschen, in denen jeweils ein paar Schlafräume und eine Küche waren. Wertsachen konnte man dort übrigens nicht aufbewahren lassen. "Ist noch nie etwas weggekommen." Kiruna sieht vom Baustil ein bißchen nach Ruhrgebiet aus, fand ich. Das ist ja auch ein Bergbaugebiet, allerdings mit weniger als 30000 Einwohnern. Der einst lukrative Tagebau ist allerdings schon erschöpft und jetzt wird unter der Erde abgebaut. Da gab es wenigstens etwas zu sehen, im Rahmen einer Grubenbesichtigung. Das ist immer eindrucksvoll. Das Geld für die Grubenbesichtigung wurde wegen der Einsturzgefahr natürlich vorher eingesammelt. Aber auch die Eisläden dort sind sehenswert oder zumindest schmeckenswert.

Danach ging es dann wieder weiter durch die große Stadt Kiruna, die auch nach Osten eine große Ausdehnung hat. Auf der Südostseite gab es dann auch wieder Wald. In Svappavara bog ich ab nach Osten, wo mich ein dreistelliges Nationalsträßchen über Vittangi bis kurz vor Masugnsbyn führte, was alles noch zu Kiruna eingemeindete Orte sind. Da gab es dann einen schönen Rastplatz. Der diente gleichzeitig als Selbstbedienungsfreilichtmuseum, wenn man so will. Es gab eine alte Wassermühle, die man von innen und außen besichtigen konnte und dazu ein paar Schildchen, die alles beschrieben, aber keine Kassierer oder Museumswächter. Irgendwo mußte dann auch Wasser sein. Ein kleiner See war es, der hier einen Abfluß hatte, eine Feuerstelle gab es, und Brennmaterial für ein Feuerchen zum Kochen gab es auch. Und weil es auch Platz für ein Zelt gab, wurde aus der Abendbrotpause eine Nachtpause. Man muß schon sagen, in Norwegen in den Bergen mögen ja die Tage schöner sein, aber in Schweden sind die Nächte schöner.

Am nächsten Morgen gab es natürlich wieder Kaffee aus dem Seewasser, der auf einem echten Feuer gekocht war. Dann ging es weiter nach Osten. Der Abschied von der schönen Stelle fiel schon schwer. In der Gegend laufen die Rentiere ziemlich frei herum. Die sind auch gar nicht so ängstlich wie unsere wilden Tiere und bleiben in geringer Entfernung mitten auf der Straße stehen. Wenn man dann die Kamera auspackt, bleiben sie auch stehen, aber bevor man dann so ein Bildchen davon macht, rennen sie dann doch noch rechtzeitig weg. Kamera umhängen bringt auch nichts, dann lassen sie einen gar nicht erst so nah ran. Es gab in der Gegend auch riesige sprudelnde Flüsse (Torneåälven und Kalixälven), die für die kleinen Sträßchen schon echte Barrieren bilden, die nur bei wenigen Brücken überquert werden können. Mit Angelschein darf man da auch einiges an Fischchen herausziehen. An einem Rastplatz gab es sogar einen Angelscheinautomaten. Einwurf 10 Kronen für das Formular. Die Jahresgebühr mußte man danach einwerfen und als bezahlt ankreuzen. Aber man merkte schon, daß man wieder in einem bewohnten Gebiet war, es gab alle 10--20 km kleine Orte (und wenn es auch nur drei Häuser waren...), aber dazwischen praktisch nur Wald. Bei Narken baute ich wieder das Zelt im Wald auf.

Von da ging es nach Süden am Kalixälven entlang nach Överkalix. Irgendwo kam wieder ein Polarkreis, dem ich aber wirklich nicht ansehen konnte, ob er quadratisch oder kreisförmig war. Mehr als ein kleines Schild war das nicht. Das war schon nah an der finnischen Grenze, was man auch daran merkte, daß dort jede Menge Straßensperren vorbereitet waren, so mit kleinen Bunkern auf beiden Straßenseiten. Irgendwo war dann auch ein Straßenabschnitt, der ausdrücklich nur von Schweden befahren werden durfte, weil dort ein militärischer Sicherheitsbereich lag. Ein Fahrrad hat ja kein Nummernschild und ein U-Boot mit Atombomben hatte ich auch nicht dabei. Und ich sage nicht, ob ich durch das Gebiet durchgefahren bin oder es mit einem großen Umweg gemieden habe. Jedenfalls sah die Landschaft da drinnen wahrscheinlich genauso aus, wie sonst auch (ich habe es ja nicht gesehen).

In der Nähe der nördlichen Ostseeküste kam ich dann auf die E 4 (Hamburg - Kopenhagen - Stockholm - Happaranda - Helsinki), die dort breit genug ist, damit ein Lastwagen einen anderen überholen kann, wenn ein dritter entgegenkommt. Zum Glück war die aber auch ziemlich leer und es gab da irgendwo wieder einen sehr lichten Wald zum Zelten, in dem an dem Tag ein schöner Sonnenuntergang serienmäßig eingebaut war. Diese Sonnenuntergänge kamen jetzt immer früher. Erstens kam ich weiter in den Osten, zweitens weiter in den Süden, drittens weiter in den Herbst. Der Sommer ist angeblich in der Gegend und insbesondere in Finnland auf die letzten drei Juliwochen beschränkt, die schon längst verstrichen waren. Aber wenn ich in Deutschland im Winter Radtouren machen konnte, dann kann ich auch in Lappland im Herbst fahren. Irgendwann kamen ja dann auch regelmäßig die Nachtfröste, ich weiß aber nicht, ob das in der Nacht schon anfing. Ich weiß nur, daß ich das im Zelt nicht merken konnte. Aber wenn morgens die Pfützen zugefroren waren, wird die Temperatur wohl auch irgendwann einmal unter 0 gesunken sein.

Nun ging es nach Finnland. Das ist sozusagen das nächste Abenteuer. Die Landschaft war ja im Prinzip ähnlich, wie in Schweden, und das Fahrrad war meines Wissens sogar dasselbe. Aber die Sprache ist überhaupt nicht mit der deutschen oder schwedischen Sprache verwandt. Ich malte mir schon aus, daß sich dort nichts mehr finden lassen würde. Das Wichtigste war ja erst einmal die Milch. Es gibt in Skandinavien furchtbar viele milchähnliche Getränke. Wenn man nicht weiß, wie die genannt werden oder wie das, was man haben will genannt wird, gibt es Überraschungen. Da kann man ungefähr zehn Versuche machen, bis man frische Vollmilch gefunden hat. In Norwegen heißt die "H-Melk" und in Schweden "hel-mjölk". Zum Glück hatte ich an einem dieser rauschenden Flüsse eine Familie aus Finnland getroffen, die zufällig wußte, daß das auf Finnisch "kulutus maito" heißt. Alles andere war dann nicht so schlimm. Postamt heißt Posti. Eine Seite voll finnischer Redewendungen hatte mir jemand kurz vor der Abreise noch mitgegeben. Da stand dann auch auf Finnisch drauf "Ich spreche nicht Finnisch". Aber wenn man das gesagt hat, glaubt einem das niemand mehr.

Aber ich wollte ja zum Zeltplatz nach Oulu. Es wurde ja schon früh dunkel und ich hatte mich nicht entschließen können, meine Uhr auf die finnische Zeit umzustellen. Kurz vor Oulu gab es dann so rührende Kettcarwege, die man als Radfahrer eigentlich benutzen sollte. Ab und zu waren da auch mal ein paar Stufen drin oder so etwas. Irgendwohin finden konnte man auch nicht, außer zu einer Autobahnauffahrt. Die nächste Abfahrt hatte dann einen Wegweiser zum Zeltplatz, der dann schnell gefunden war. Er war sogar noch offen, für zwei Nächte noch. Außer mir waren sogar noch andere Leute da, aber das hielt sich alles sehr in Grenzen.

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