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Deutschland-Runde: 3.925 km/21 Tage

Michael Wiegand und Matthias Gehmlich (Herbst 2001)

Michaels Regenschutz über seinem Rucksack leuchtet wie ein gelber Punkt an diesem kühlem regnerischen Morgen des 08. Mai 2001. Wir befinden uns auf der B 305 mitten im Berchtesgadener Land und wollen Deutschland mit dem Rennrad umrunden! Die Wettervorhersage verspricht Besserung und ab Reit im Winkel trocknen die Straßen tatsächlich ab. Wir rollen am Walchsee vorbei in das Inntal hinunter. Mit der Auffahrt zur Sudelfeld-Passhöhe gilt es einen ersten knackigen Anstieg zu nehmen. Am Sylvenstein-Stausee haben wir eine Begegnung der etwas anderen Art: Ein Mann zieht einen überdachten einachsigen Handwagen hinter sich her, der mit Fahrradlaufrädern ausgestattet ist. Auf der Rückseite lesen wir: "Deutschland-Umrundung über 5.000 km 10.April - 16. August 2001". Michael unterhält sich mit diesem Mann und erfährt, dass er 75 Jahre alt ist und zum dritten Mal zu Fuß Deutschland umrundet! Er schläft in seinem Handwagen und läuft pro Tag ca. 40 km! - Beeindruckt durch diese Begegnung scheint unsere Tour nur 2. Wahl zu sein - ist sie natürlich nicht! Die Eckdaten sind: 21 Tage mit rund 3.900 km und Streckenverlauf in Grenznähe. Während der Wintermonate wälzte ich Kartenmaterial, stellte ein Konzept auf, um es wenig später durch ein neues zu ersetzen. Auch den Startort wechselte ich mehrmals und entschied mich schließlich für Berchtesgaden, um durch die Alpen zuerst zu fahren. Im Frühjahr schließlich stand die Tour. Die Landkartenkopien 1:200.000 wurden zusammen geschnitten und laminiert. Allerdings führen wir nur ein Kartenset mit, so dass wir immer zusammen bleiben sollten.

Der zweite Tag verspricht sonnig zu werden. Als wir aufbrechen ist es noch sehr frisch, Mittenwald liegt im Schatten der umliegenden Berge. Wir rollen hinunter nach Garmisch, entfliehen rasch dem morgendlichen Berufsverkehr hier und fahren nach Reutte. Die Lechtalstraße steigt bis Steeg nur leicht an, wenig Verkehr und eine malerische Kulisse verleiten zum Träumen. Ausgeträumt haben wir, als die Straße deutlich steiler wird, fast unmerklich klettern wir in eine Winterlandschaft. In Warth türmen sich meterhohe Schneemassen am Straßenrand. Es scheint, als wären die Pistenraupen soeben noch im Einsatz gewesen. Nur die Straße ist trocken, ab und zu fließt Schmelzwasser über unseren Weg zum Hochtannbergpass. Ausflügler sonnen sich, auf Campingstühlen liegend, mitten im Schnee. In 1.675m erreichen wir den Pass und damit den höchsten Punkt unserer Tour. Die Abfahrt in den Bregenzer Wald wird zu einer Fahrt in den Frühling. In St. Margrethen finden wir im "Ochsen" Quartier, ein Hotel direkt am Bahnhof, von blühenden Kastanien eingehüllt. Von unserem Balkon im dritten Stock beobachten wir die Betriebsamkeit auf der Straße und den regelmäßigen Zugverkehr.

Weiter geht es am Südufer des Bodensees entlang nach Stein am Rhein. Hier fahren wir gezielt in den einzigartig erhaltenen Altstadtkern. Nach kurzer Pause geht es weiter nach Schaffhausen, wo wir genau um 12.00 Uhr auf der Rheinbrücke stehen. Danach wird es ruhiger. Gelb blühende Rapsfelder säumen unsere Route. In Rheinfelden donnert ein kurzer kräftiger Hagelschauer nieder, wir können uns gerade noch unter ein Glasdach retten, welches einen Abstellplatz für Müllcontainer schützt. Mein Plan, Lörrach über eine ruhige Nebenstraße zu erreichen, misslingt völlig. Die Straße von Grenzach-Wyhlen ist nicht nur stark frequentiert, sondern weist auch noch eine Steigung von 12% nach Rührberg auf. In Lörrach übernachten wir in einem Hotel direkt am Grenzübergang zur Schweiz.

Ruhige Nebenstraßen über sanfte Hügel und immer wieder gelb blühende Rapsfelder erwarten uns in der Gegend nördlich von Lörrach. Aus dem Nichts taucht Horst auf, ein Rennradler aus Freiburg. Wir kommen mit ihm in Gespräch, er führt uns über verschlungene Wege durch Felder und Weinberge. Rasch vergeht der Vormittag, in Wyhl gibt es mit Horst noch einen Fototermin, bevor wir uns von ihm verabschieden. Bei Rheinau überqueren wir den Rhein und fahren bis Haguenau. Überall in der Altstadt genießen Menschen in Straßencafés und Restaurants diesen warmen sonnigen Tag. Wir bummeln durch das schmucke Städtchen und suchen ein Restaurant, wo wir im Außenbereich Platz nehmen.

Am nächsten Morgen durchstreifen wir bereits um 07.00 Uhr die noch schlafenden Gassen der Altstadt. Der Duft von frisch gebackenen Brot dringt in unsere Nase. Als einziges Geschäft hat eine Bäckerei geöffnet. Während wir hier frühstücken werden im Minutentakt frische Backwaren im Geschäft und direkt in einem Verkaufsstand vor der Bäckerei platziert. Gegen 07.30 Uhr nimmt auch der Kundenandrang zu, wir verabschieden uns vom Bäckermeister und verlassen Haguenau auf der D 919. Diese Straße führt an einer zweigleisigen Nebenbahn entlang durch den Nationalpark Nordvogesen. Die nächst größere Stadt ist Sarreguemines, wo wir zahlreiche Fördertürme, Industrieanlagen mit Eisenbahngleisen, abgestellte Kohlezüge und Abraumhalden sehen: Die Blütezeit der Steinkohle ist auch hier längst vorüber. - Auf deutscher Seite erklimmen wir den 375m hohen Sauberg mit dem riesigen Sendemast "Europa I". Von hier haben wir eine prachtvolle Aussicht über das Saarland. Danach geht es an die Mosel, die wir von Schengen bis Wasserbillig auf Luxemburger Seite begleiten. Das sommerlich warme Wochenende lockt viele Ausflügler an das Ufer des breiten Stroms. In Wasserbillig treffen wir zunächst auf unzählige Tankstellen, die für eine Millionenstadt ausreichend wären. Etwas außerhalb checken wir in einem Landgasthof ein.

Am sechsten Tag folgen wir Sauer, Prüm und Enz bis Neuerburg, queren ein Hochplateau westlich von Bitburg und erreichen Belgien. Sonntagmittag in St. Vith: Die Straßencafés sind gut besucht, Michael rückt die Stühle an einem Tisch für uns zurecht. Wir sonnen uns, haben es mit der Bestellung nicht eilig. Michael telefoniert mit seiner Frau Annie in Neu-Isenburg. Neben unserem Tisch parken zwei schwere Motorräder. Auch im Café gegenüber warten Tische im Freien auf Gäste, nur stehen diese im Schatten und bleiben vorerst leer. Im Inneren des Lokals sind die Kellner offenbar mit einer Gesellschaft sehr beschäftigt. Nach geraumer Zeit gibt Michael selbst unsere Bestellung auf, auf die Frage mit welchen Zutaten der Bauernsalat serviert wird, antwortet der Kellner: "Salat mit Thunfisch und solche Geschichten." - Nicht gerade sehr informativ, dennoch sind wir mit unserer Wahl zufrieden. Weiter geht es nach Malmédy, von hier steigt die Straße scheinbar endlos lang durch den Wald des Hohen Venn. Dieser Gebirgszug ist nicht zu unterschätzen, obwohl die höchsten Erhebungen bei nur 700m liegen. Eine lange berauschende Abfahrt folgt nach Eupen, wo wir direkt vor einem Café uns eine Pause gönnen. Die Quartiersuche zieht sich heute etwas in die Länge, denn auf belgischer Seite finden wir nichts, die Hotels und Pensionen in Vaals/NL sind belegt, schließlich beziehen wir im Hotel "Dreiländereck" direkt am alten Zollhaus am Fuße des 321m hohen Vaalserberg, dem höchsten Berg Hollands, ein rustikales Zimmer.

Das Land wird flacher. 220 km stehen am nächsten Tag auf unserem Programm. Das einzig bemerkenswerte ist dabei die Überquerung des Rheins zwischen Kleve und Emmerich. Die 1965 erbaute mächtige Hängebrücke hat eine Spannweite von 1.228 m. Auf dem Scheitelpunkt der Brücke gibt es einen kurzen Fotohalt, bevor wir einen längeren Abschnitt in Holland absolvieren. Im kleinen Städtchen Goor finden wir kein Quartier. Michael erkundigt sich in einem Reisebüro nach dem nächstgelegenen Hotel. Es ist das Hotel 'D Zwaan in Delden. Dieses 200 Jahre alte Haus versprüht den Charme vergangener Zeiten. Auf der Terrasse sitzend, genießen wir ein vorzügliches Abendessen. Unsere Blicke werden dabei immer wieder zu den vielen Radfahrern auf Hollandrädern gelenkt, ganz besonders aber als eine Gruppe Rennradler vorbei zischt.

Der Gewitterguss der Nacht hinterlässt nasse Straßen am achten Tag unserer Tour. Die Sonne kämpft sich aber durch die Wolken. Wir nehmen wieder Kurs auf Deutschland. Am Grenzübergang versperrt uns ein aufgeschütteter Erdwall die Weiterfahrt. Auf deutscher Seite ist ein Hinweisschild in A4-Format angebracht: "Verdacht auf Maul-und Klauenseuche. - Gesperrt." Nach kurzer Passage zu Fuß rollen wir parallel zu einem Kanal und erzählen uns Witze über die Gegend, die jetzt kurz vor uns liegt: Ostfriesland. In einem Supermarkt in Weener liegt mir ein "Grüß Gott" auf den Lippen, die Verkäuferin kommt mir allerdings zuvor: "Moin". Moin kommt von Moi und heißt schön, also frei übersetzt: Schönen Tag. - In Emden hat es Michael besonders eilig. Ich verliere den Anschluss und donnere im Renntempo ihm hinterher. Zu ihm aufschließen kann ich erst auf der B 221 Richtung Aurich. Diese stark befahrene Bundesstraße verlassen wir alsbald und nähern uns dem Tagesziel: Norden. Direkt neben der Post befindet sich das gleichnamige Hotel. Eine junge Frau gibt den Fensterumrandungen im Erdgeschoss einen neuen Farbanstrich. Als wir an der Eingangstür ein Schild lesen: "Radler willkommen, auch für eine Übernachtung", gibt es für uns kein zurück! Wenig später bummeln wir durch die Fußgängerzone und erhalten im Fischrestaurant "Käpt'n Remmer" ein ausgezeichnetes Abendessen.

Weiter geht es an der Nordseeküste entlang nach Wittmund, Jever und Wilhelmshaven. Windkrafträder, die aus gelb blühenden Rapsfeldern ragen, prägen die Landschaft. Bei Regenschauern und zweimal Plattfuß hält sich unser Optimismus in Grenzen. Mit einer Fähre setzen wir über die Weser und erreichen Bremerhaven, fahren durch das riesige Gelände des Überseehafens, passieren eine Zollschranke, sehen riesige Frachtschiffe mit endlosen Containerstapeln, queren unzählige Eisenbahnschienen, entdecken die "Letzte Kneipe vor New York" und suchen verzweifelt ein Hinweisschild nach Cuxhaven. Da wir dieses nicht finden, folgen wir brav dem "Fernverkehr", was sich markant durch seine gelbe Farbe von den weißen Schildern wie "Ölhafen", "Stückguthafen" oder "Zollfreie Fracht" abhebt. Erneut erreichen wir eine Zollschranke, müssen absteigen und unseren Weg über eine hohe Bordsteinkante fortführen. Als wir endlich die Ausfallstraße nach Cuxhaven erreicht haben, wird die Zeit knapp, denn wir möchten die 16.00 Uhr-Fähre nach Brunsbüttel erreichen. Die Überfahrt der Unterelbe dauert 80 Minuten. Aus dem Internet habe ich mir sogar die Namen der beiden Schiffe notiert: "Hinrich-Wilhelm Kopf" und "Jochen Steffen". Beide Fährschiffe sind 105m lang und haben je ein Fassungsvermögen von 500 Personen, 120 PKW sowie 18 LKW! Einen Imbiss gibt es sicher an Bord. Mit 170 km soll der morgige Tag etwas ruhiger werden. Eine perfekte Planung, so scheint es. In Cuxhaven folgen wir der Ausschilderung zum Fährhafen, es ist 15.45 Uhr, also erreichen wir unser Schiff. Ein riesiges Schild: "Fähre nach Brunsbüttel" steuern wir zielstrebig an. Ein Schiff liegt am Kai, allerdings ist es nicht das Fährschiff. Es ist sehr ruhig hier, Michael und ich sind die einzigen Menschen auf dem großen asphaltierten Platz der Uferanlage. Es muss der Kai für die Fähre nach Brunsbüttel sein, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Ein PKW kommt gefahren und hält an. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter und fragt was wir hier suchen? "Die 16.00Uhr-Fähre nach Brunsbüttel!" "Die Fähre verkehrt nicht mehr, wurde vor vier Wochen eingestellt!" "Aber wie kommen wir dann nach Brunsbüttel?" "Ihr könnt die Wischhafen-Glückstadt-Fähre nehmen, 50 km Elbaufwärts." "Danke." Der PKW verschwindet, ratlos schauen wir uns an. Kräftiger Regen setzt jetzt ein, wir stellen uns unter. Rasch entscheiden wir uns Quartier zu machen. Im Gästehaus "Heidi" bekommen wir ein Zimmer. Ein gutes Zimmer, denn im Bad befindet sich der Trockenraum mit Heizungsanlage, ideal für unsere nassen Kleidungsstücke. - Auch am Abend hält der kräftige kalte Regen an, als wir durch die Straßen von Cuxhaven bummeln. Wir sehen mehrere "Brunsbüttel"-Schilder, die mit rotem Band ausgekreuzt sind. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Fährverbindung eingestellt, soviel ist sicher. Im Hafen legt gerade die "Wappen von Hamburg" an, ein Fährschiff von Helgoland kommend. Glückliche Tagesausflügler eilen zu ihren PKWs. Michael hat da plötzlich eine Idee: Wir nehmen diese Fähre nach Helgoland und von da ein Schiff nach Husum, anschließend per Rad die 70 km bis Tønder. Ein genialer Vorschlag. Die "Wappen von Hamburg" verlässt täglich um 10.30 Uhr Cuxhaven und erreicht 12.30 Uhr Helgoland. Nun fehlt uns nur noch die Information über die Fährverbindung von Helgoland nach Husum. In einem nahegelegenen Hotel erkundigen wir uns danach. Die freundliche Dame an der Rezeption gibt uns die Auskunft, dass eine Fähre 16.30 Uhr mit Ankunft in Husum 21.15 Uhr verkehrt. Wir bedanken uns und realisieren zugleich, dass damit die Helgoland-Variante vom Tisch ist. Die morgige Etappe wird durch den Umweg über Wischhafen/Glückstadt 225 km lang werden.

In flotter Fahrt erreichen wir Wischhafen, die Überfahrt dauert 30 Minuten. Michael unterhält sich auf Deck mit einigen Fahrgästen, die mit PKW unterwegs sind. Ich verbringe die Zeit fast ausschließlich in der Imbissstube unter Deck. Am anderen Elbufer fahren wir dann direkt am Kernkraftwerk Brokdorf vorbei, bevor wir auf der B5 den Nord-Ostsee-Kanal über die Hochbrücke "Brunsbüttel" überqueren. Eine herrliche Aussicht und so etwas wie eine Abfahrt auf der anderen Seite machen die Fahrt auf der Kfz-Straße interessant. Bei Husum werden wir von einem kräftigen Schauer eingeweicht, bis Niebüll trocknet es wieder ab. Hier finden wir endlich auch ein gutes Radsportgeschäft, wo wir uns mit Ersatzbereifung eindecken. Ein kalter Nordwestwind bläst uns ins Gesicht als wir Richtung dänische Grenze fahren. Tønder wirkt wie ausgestorben, wir finden aber ein gutes Hotel. Die dänische Kleinstadt, eine ehemalige Hafenstadt, wurde bereits im Mittelalter durch Eindeichung von der Nordseeküste abgeschnitten. Bekannt geworden ist die älteste Stadt Dänemarks vor allem durch die Herstellung von Klöppelspitzen.

Regentropfen trommelten die ganze Nacht auf das einen Spalt breit geöffnete Oberlichtfenster unseres Zimmers. Als wir uns auf unsere Räder schwingen, verschwinden die dicken Wolken. Wir radeln hinein in einen hellen klaren Morgen genau der Sonne entgegen. Der Westwind unterstützt uns auf den noch nassen Straßen. Es ist so hell und klar wie es nur in Skandinavien sein kann. Rasch erreichen wir Flensburg. Hier erkennen wir das Fischrestaurant "Piet Henningssen" wieder, wo Michael und ich im Mai 1997 den erfolgreichen Abschluss einer Etappenfahrt von Garmisch nach Flensburg feierten. Viel Verkehr herrscht auf dem Weg über Eckernförde nach Kiel. Ruhiger und hügliger wird es, als wir durch die Holsteinische Schweiz vorbei am Selenter See und einem Teppich gelb blühender Rapsfelder, die durch den Sonnenschein besonders hell leuchten, unserem Etappenziel Oldenburg in Holstein entgegen rollen.

Irgend etwas stimmt mit Michael heute nicht. Er rollt lustlos dahin. Er sagt mir, dass er leicht erkältet sei. Ich male mir alle möglichen Varianten über den Fortgang unserer Tour aus - bis hin zum Abbruch. Auf meine vorsichtige Frage, über eventuelle Alternativen nennt mir Michael unbeirrt unser heutiges Etappenziel: Ostseebad Graal-Müritz! Mit eisernen Willen kämpft er sich voran. Es geht durch die Urlauberhochburg Timmendorfer Strand nach Travemünde und weiter nach Wismar. Ausgerechnet mitten in der Hansestadt habe ich eine Panne. Während ich den Schlauch wechsle, fährt Michael bereits bis Neubuckow vor. Gemeinsam geht es über Bad Doberan, Warnemünde nach Graal-Müritz. Hier wird im Ort die Hauptstraße gerade erneuert. Der Verkehr wird wechselseitig durch Ampeln geregelt. Es ist Samstagabend und relativ ruhig, in der Vorsaison sind noch viele Gästehäuser leer. Wir fahren direkt zum Strandhotel "Düne", ein neues modernes Haus so richtig zum Wohlfühlen. Die Abendsonne scheint direkt in unser Zimmer. Nach der üblichen Prozedur Duschen und Radlsachen waschen, flicken wir heute mehrere Schläuche. Es sind 50m bis zum Strand. Der stürmische frische Wind bläst den feinen Sand in die verwaisten Strandkörbe. Kein Mensch wagt sich jetzt in das kalte Wasser der aufgewühlten Ostsee. In etwa zwei Monaten wird hier eine ganz andere Klientel anwesend sein...

Frisch gestärkt rollen wir über die Halbinsel Darß. Michael versprüht Optimismus, ihm geht es wieder besser! Wir fahren über Barth nach Stralsund. Die parallel zur B 96 verlaufende alte B96a scheint für uns ruhiger zu sein. Allerdings hat man diese alte Straße komplett als Pflasterstraße belassen. Folgerichtig wechseln wir auf die Neubautrasse, wo die Mindestgeschwindigkeit mit 30 kmh-1 festgelegt und damit auch für flottes Radlertempo geeignet ist. Eine erwähnenswerte weitsichtige Lösung hier in Mecklenburg-Vorpommern; man läßt Radlern die Option beider Verkehrswege! Wenig später in einem kleinen Dorf kurz vor Wolgast erwischt es mich: Auf dem mittelalterlichen Kopfsteinpflaster im Ort einen Knaller und sogar der Mantel fliegt mir hinten von der Felge! Die Reparatur dauert nicht lange, wir sind gut gerüstet. Die Vermutung, dass wir es besonders in MV noch öfters mit solchen giftigen "Katzenköpfen" zu tun haben werden, wird Realität. Aber auch ganz andere überraschende Dinge erleben wir: Auf einer Wiese am Eingang zu einem Skulpturenpark sehen wir eine Gulaschkanone. Auf dem provisorisch angebrachten Schild steht in großen Lettern: "Eintopf". Der Verkäufer bietet uns einen deftigen Eintopf an (von Muttern gemacht!), wir sind regelrecht begeistert und verlangen Nachschlag, dabei unterhalten wir uns über die nicht gerade rosige wirtschaftliche Lage in MV. - Die einzige Insel, die wir in unsere Deutschland-Umrundung einbeziehen ist Usedom. Im gleichnamigen Ort finden wir direkt am Marktplatz die schmuck restaurierte Pension Roseneck. Eine junge Familie bietet Zimmer und Ferienwohnungen mit viel Komfort an. Eine Pension, die wir weiter empfehlen können!

Durch zwei Straßenbrücken, bei Wolgast und Anklam, ist Usedom mit dem Festland verbunden. In Anklam beabsichtigen wir, so unsere Planung, die B 109 Richtung Süden zu benutzen. Zu unserer Überraschung finden wir die B 109 als Kraftfahrstraße ausgebaut vor. Als ob das nicht genug wäre: An der Einfahrt zu dieser Straße steht ein Polizeifahrzeug. Verdammt schlechte Karten für uns; kurz entschlossen entscheiden wir uns für einen Umweg über die B 197. Nach etwa 15 km verlassen wir diese Bundesstraße und nehmen auf fast autofreien Straßen wieder Kurs auf die geplante Route. Allerdings werden wir während der Ortsdurchfahrten immer kräftig durchgerüttelt. Wir wissen natürlich, dass MV eine gewisse Tradition in der Erhaltung alter Pflasterstraßen hat. Aber es sollte noch schlimmer kommen: Wir sind in der Ückermünder Heide, einem sehr dünn besiedelten Gebiet nahe der polnischen Grenze. Der Begriff Pampa ist durchaus angebracht. In den Ortslagen hoppeln wir über ungleichmäßiges mittelalterliches Kopfsteinpflaster, das zu den Straßenrändern hin stark gewölbt ist. Zwar versuchen wir oft auf dem schmalen Sandstreifen am Rand zu fahren, aber das gelingt nur dann, wenn der Sand einigermaßen griffig ist. Das Terrain wäre also bestens geeignet für ein deutsches Paris-Roubaix. Zum Vergleich sei noch bemerkt, dass das rekonstruierte Kopfsteinpflaster der Altstädte in den alten Bundesländern um Klassen besser ist! - In einem kleinen Dorf sehen wir einen großzügigen Bürgersteig und neue rote Straßenlaternen, die fast so hoch sind wie auf dem Kurfürstendamm. Immerhin ist die Förderung für die neuen Bundesländer bis hierher gekommen, was aber die Menschen in dieser abgelegenen Gegend dringender bräuchten sind Arbeitsplätze! Arbeitsplätze, die bis jetzt nicht geschaffen wurden und auch in naher Zukunft nicht kommen werden; deshalb wandern sehr viele Menschen ab.

Der Bahnhof von Tantow, an der Bahnlinie Berlin-Stettin gelegen, macht einen verlassenen Eindruck. Gleich neben den Bahnanlagen befindet sich ein Konsum. Ein Lebensmittelgeschäft, von denen es viele in der ehemaligen DDR gab. Das fällt deshalb so auf, weil dieses Geschäft fast unverändert geblieben ist. In dem schmiedeeisernen Zaun vor dem Laden sind groß die Buchstaben KONSUM eingearbeitet. Auch die Inneneinrichtung widerspiegelt eine typische Ladeneinrichtung sozialistischer Zeit.

Unser heutiges Etappenziel liegt in Polen. Nach Grenzübertritt stellen wir zunächst fest, dass die Menschen in Polen nur wenig der deutschen Sprache mächtig sind. Schon vor den Toren Chojnas erkennen wir die gewaltige Kathedrale im Ort. Im Zentrum sind wir dann erstaunt und schockiert zugleich. Es handelt sich um die monumentale Marienkirche, die nur noch als Ruine erhalten ist. Wir erhalten durch Zufall Gelegenheit das Innere des Gotteshauses zu betreten und sind beeindruckt von deren Größe. Als deutsch-polnisches Gemeinschaftswerk soll diese Kirche komplett restauriert werden, eine gigantische Aufgabe! Gleich nebenan erhalten wir im rustikal eingerichteten Ratskeller ein hervorragendes Abendessen, das für uns besonders preiswert ist. Allerdings sind wir die einzigen Gäste. Unser Hotel in Chojna heißt "Rolsped" und ist ein Barackenbau, der hauptsächlich als Bauarbeiterunterkunft genutzt wird. Im Inneren scheint die Zeit stehen geblieben zu sein; als ob die Porträts kommunistischer Machthaber erst gestern entfernt wurden.

Ein sehr frischer sonniger Morgen erwartet uns. Gegen 07.00 Uhr brechen wir auf, um unterwegs zu frühstücken. In Chojna finden wir noch keine geöffneten Geschäfte, so dass wir 20 km bis Mieszkowice fahren. In einer Bäckerei treffen wir bereits unsere Wahl, aber die Verkäuferin akzeptiert keine D-Mark! Enttäuscht verlassen wir das Geschäft und gehen gegenüber in eine Bank. Hier erfahren wir, dass nur in Wechselstuben D-Mark gegen Zloty getauscht werden darf, eine davon sei gleich um die Ecke. Als wir diese entdecken, jubeln wir zu früh: Es ist 08.00 Uhr, um 09.00 Uhr wird aber erst geöffnet. Ein letzter Versuch in Mieszkowice von Passanten DM in Zloty zu wechseln scheitert ebenfalls. Die Bürger dürfen offenbar nur über die staatlichen Banken die begehrte DM erhalten. Michael ist verzweifelt. Ich habe Mühe eine Alternative vorzuschlagen, die wäre: Wir fahren weitere 30 km bis Kostrzyn, wechseln dort Geld oder überqueren früher als geplant die Grenze, um auf deutscher Seite Frühstück zu machen. Die Straßen in Polen sind gut und es ist weniger Verkehr als in Deutschland. Auch hier, wohin das Auge schaut, gelb blühende Rapsfelder. In Kostrzyn erkennt Michael sofort die Reklame eines McDonalds. An dem Fast-Food-Restaurant angekommen, sehen wir an der Tür ein Schild: "Wir nehmen auch DM". McDonalds als Retter in der Not, wer hätte das gedacht! Im Sonnenschein auf der Terrasse machen wir uns es bequem und beobachten den Kolonnenverkehr zum nahen Grenzübergang. Wir sind schon auf dem Weg nach S?ubice, dem polnischen Teil von Frankfurt/Oder, als ich noch immer von dem besonders guten Kaffee bei McDonalds schwärme. An der Oder-Brücke hat sich ein langer Rückstau gebildet. Zahlreiche Fußgänger passieren nach beiden Seiten den Grenzfluss. Wir verlassen Frankfurt/Oder und stärken uns in Lossow in einem Tante-Emma-Laden. Michael betrachtet die Titelseite der BILD-Zeitung, um diese wenig später kopfschüttelnd wieder abzulegen. Auf der wenig belebten Straße vor dem Geschäft machen wir in der angenehmen Mittagssonne Brotzeit. Punkt 12.00 Uhr rasselt der Rollladen der Eingangstür herunter. Mit Helmut, einem Arbeitskollegen von mir, haben wir uns auf der B 112 verabredet. Er möchte uns bis Görlitz begleiten. Michael und ich sind begeistert einen Mitradler zu begrüßen, auch haben wir uns ab jetzt mächtig viel zu erzählen. Unsere Fahrt geht über Eisenhüttenstadt, Guben, Forst nach Bad Muskau.

Heinrich Fürst von Pückler-Muskau legte hier einen großzügig gestalteten Landschaftspark an. Am Schloss erkundigen wir uns in der Touristinformation nach einem Zimmer. Eine Frau kommt uns zuvor und bietet ein Privatzimmer in der nahen Siedlung an. Wir stimmen zu und sind überrascht, als die ältere Dame in einem Trabant vorfährt. Der Zweitakter tuckert wie einst Tausende davon in der ehemaligen DDR und es scheint, als würde das 26PS-Fahrzeug unverwüstlich sein.

Eine landschaftlich reizvolle Straße führt von Bad Muskau an der Neiße entlang nach Görlitz, der östlichsten Stadt Deutschlands. In der Altstadt rasten wir in einem Straßencafé. Görlitz ist eine Stadt mit besonders viel Altbausubstanz. Entsprechend umfangreich sind die Sanierungsarbeiten. Viele Fassaden sind zu neuem Glanz erweckt worden. Mit den Eindrücken dieser sehenswert restaurierten Altstadt verabschiedet sich Helmut von uns. Mit Michael fahre ich weiter nach Zittau. Wir tuschieren das Zittauer Gebirge und fahren ein erstes Teilstück durch Tschechien. Von Rumburk nach Hinterhermsdorf triften wir auf einen Waldweg ab. Ich hatte bei der Planung mit ca. zwei Kilometer unbefestigter Straße gerechnet, jetzt hoppeln wir schon fünf Kilometer über Stock und Stein und orientieren uns an Hinweisschildern für Wanderer. Das war nicht so gedacht, prompt muss Michael meine Experimente mit einem Platten bezahlen. Mitten im dichten Wald steht in großen Lettern auf einer Infotafel: "Freistaat Sachsen." Durch das Kirnitzschtal rollen wir zur Elbe hinunter. Es ist der Tag vor Himmelfahrt, strahlender Sonnenschein und Stadtfest in Königstein; offenbar alle Übernachtungsmöglichkeiten sind in dem Städtchen an der Elbe belegt. Im Verkehrsamt erhalten wir doch noch ein Zimmer im Naturfreundehaus. Das gesellige gastfreundliche Haus finden wir in idyllischer Lage am anderen Elbufer. An diesem lauen Sommerabend am Elbestrom fasst Michael einen wichtigen Beschluss: Er möchte mit dem Kanu die Elbe von Schmilka bis Hamburg paddeln!

Kaiserwetter am Himmelfahrtstag! Vom Naturfreundehaus setzten wir mit der Fähre über und zweigen am einzigen Kreisverkehr im Ort nach Bahratal ab. Was sich jetzt ereignet wird für immer ein ungeklärter Fall bleiben: Ich fahre vor Michael aus dem Kreisel. Als ich mich nach ca. 300 m umschaue, ist Michael verschwunden. Ich warte kurz und fahre zum Kreisel zurück. Wo ist Michael? Hier am Kreisverkehr war er noch hinter mir, er konnte auch nicht in eine andere Richtung gefahren sein, das ist unmöglich. Ich entscheide mich zu warten, es ist 08.30 Uhr. Der Platz hier dient als Treffpunkt für zahlreiche Feiertagsausflügler. Die Stimmung ist jetzt schon ausgelassen. Die Kioskbesitzer, die gerade ihre Verkaufsstände öffnen, werden ein gutes Geschäft machen. Ich beobachte die gesamte Szenerie und je mehr Ausflügler erscheinen, desto unruhiger werde ich. Kurz vor 09.00 Uhr melde ich mich auf Michaels ausgeschalteten Handy und hinterlasse die Nachricht mit meiner Fahrstrecke Bahratal, Altenberg, Oberwiesenthal. Um 09.00 Uhr verlasse ich den nun von zahlreichen Ausflüglern belagerten Kreisverkehr in Königstein. Zum Donnerwetter wo ist Michael? Die Straße nach Altenberg ist mit zahlreichen Anstiegen gespickt, es gilt ständig Flußtäler zu queren. In Altenberg rufe ich Michael wieder an. Er hat sich verfahren und befindet sich in Tschechien. Von einem Wanderer wurde er absichtlich falsch auf den 723 m hohen D?cinsky Sn??nik geschickt. Ein Berg mit Aussichtsturm und endender Straße. Michael sichert mir zu nach Altenberg zu kommen. Gegen 13.00 Uhr treffen wir uns in der ARAL-Tankstelle der Bergstadt. - Eine Rekonstruktion der Ereignisse lässt uns zu folgenden Ergebnis kommen: Michael fuhr hinter mir in den Kreisel ein, folgte mir noch ca. 100 m und hielt dann an, da er Probleme mit den Pedalen hatte. Wenig später hielt auch ich an, aber außer Sichtweite von Michael. Als ich zurück fuhr, sah ich Michael nicht, als er an seinem Pedalen schraubte. Als er mit dem Schrauben fertig war, fuhr er weiter, während ich am Kreisel wartete. Um 09.00 Uhr fuhr ich Michael nach, ohne es zu wissen. Am Abzweig in Rosenthal müssen wir uns um ca. 15 Minuten verfehlt haben. Die Hauptstraße hier führt geradeaus nach Tschechien, unsere Route führte aber rechts ab nach Altenberg...

Der strahlende Sonnenschein verhilft uns rasch wieder zu guter Laune. Die anschließende Fahrt durch das Erzgebirge ist landschaftlich eines der schönsten Teilstücke der Tour. Es ist ein Wechsel zwischen einem Teppich gelb blühender Rapsfelder und Fichtenwald. Volksfeststimmung bei der Pressnitztalbahn, einer Schmalspur-Dampfeisenbahn, die einst von Wolkenstein nach Jöhstadt verkehrte. In den frühen 80er Jahren wurde die Strecke stillgelegt und Mitte der 90er Jahre - dank zahlreicher engagierter Eisenbahnliebhaber - das Teilstück Jöhstadt-Steinbach wieder eröffnet! Das Happy-End des Tages erleben wir im Brauhaus zu Oberwiesenthal. Nach gutem Essen wandert eine vierköpfige Musikgruppe in das Lokal. Mit Posaune, Trompete und Ziehharmonika kommt Stimmung unter die Gäste. Durch Volkslieder und Lieder erzgebirgischer Mundart angelockt, füllt sich rasch die Gaststube. Der Akkordeonspieler, ein kleiner älterer Herr ist mit Leib und Seele bei der Sache. Er beherrscht das Tasteninstrument, dass es Freude macht, ihm dabei zuzuschauen. Der Mann mit der Trompete, in schwarzem Anzug, weißem Hemd, Fliege, schwarzem Hut und von Natur aus roter Nase, ist ein erzgebirgisches Urgestein. Wir sind begeistert und singen lauthals mit.

Abschied von Oberwiesenthal: Michael fährt schon hoch zum Grenzübergang. Als ich eintreffe, unterhält er sich gerade mit einem Zollbeamten. Auf tschechischer Seite in Bo?i Dar versorgen wir uns mit Getränken in einer neu gebauten Tankstelle. Gemütlich plaudernd geht es über sehr ruhige Straßen auf der Kammlinie des Erzgebirges bis in den Musikwinkel des Vogtlandes. In Klingenthal und Markneukirchen entstand vor über 300 Jahren die erste deutsche Geigeninnung. Blech- und Holzblasinstrumente folgten später und machten den Musikwinkel weltberühmt. Gleich hinter Markneukirchen liegt das Moorheilbad Bad Elster. Ein schmuck gestalteter Kurort, bis auf das riesige dem Verfall preisgegebene Palasthotel Wettiner Hof, das 1909 als Grandhotel (nach einem Brand im Jahre 1906) neu eröffnet wurde. Gleich hinter Bad Elster schneiden wir wieder ein Stück Tschechien ab, indem wir über A? direkt nach Selb fahren. Unser Tagesziel ist Neustadt an der Waldnaab, im Gasthof "Zum Bären" checken wir ein.

Weiter geht es durch den Oberpfälzer Wald. Unser heutiges Teilstück über 140 km ist zwar kurz aber dafür recht bergig. Wir fahren nach Vohenstrauss, Waldmünchen, Furth im Wald, Bayrisch Eisenstein nach Zelezná Ruda (Markt Eisenstein). Dieser Ort hat sich zu einem Touristenzentrum im Böhmerwald entwickelt. Zahlreiche Hotels stehen für die Gäste bereit. Wir haben also die Wahl und entscheiden uns für die Pension "Böhmerwald", einem modernen Gästehaus mit allem Komfort. Auf einer neu errichteten Terrasse genießen wir in mehreren Gängen ein vorzügliches und preiswertes Abendessen. Böhmische Knödel und tschechisches Bier sind längst kein Geheimtipp mehr! Die frische reine Waldluft am nächsten Morgen bietet Erholung pur. Ein morgendlicher Regenschauer hinterläßt auf den Straßen den Eindruck, so Michael: "Wie frisch gewaschen." Es ist Sonntag und der vorletzte Tag unserer Tour. Michael möchte es heute etwas ruhiger angehen lassen. Nach der Fahrt durch den Nationalpark Bayerischer Wald trennen wir uns in Freyung: Michael fährt direkt nach Passau, ich nehme die grenznahe Variante über Breitenberg, Wegscheid nach Passau. Eine wunderschöne ruhige Gegend mit einer berauschenden Abfahrt von Untergriesbach nach Obernzell an die Donau. Unsere Verabredung in der Dreiflüssestadt an der ersten Donaubrücke klappt perfekt. Rasch entfliehen wir dem Touristenrummel und genießen ein paar Kilometer außerhalb die sommerlichen Temperaturen. In Mauerkirchen im Innviertel beenden wir den Tag.

Der letzte Tag: 80 km bis Berchtesgaden, ein Katzensprung. Kein Vergleich zu dem, was hinter uns liegt. Man kann diesen Tag getrost mit dem letzten Tag der Tour de France vergleichen; alles ist geschafft, es gilt nichts mehr zu beweisen, nur noch ankommen. In ruhiger Fahrt bummeln wir direkt durch die Fussgängerzone von Salzburg, plaudern in einer kleinen Konditorei. In Anif, südlich der Mozartstadt, macht Michael einen kurzen Verwandtschaftsbesuch. Irgendwie haben wir Zeit, viel Zeit. Von Markt Schellenberg sind es noch neun Kilometer bis Berchtesgaden. Michael fährt schon vor zum Orts-eingangsschild, um den Moment im Bild festzuhalten. Ich nehme mir Zeit, alle Zeit der Welt. Es ist geschafft, alle Schwierigkeiten gemeistert. - Da ist es wieder, das großzügig gestaltete Bahnhofsgebäude, schon recht alt. Wir treffen ein älteres Radlerehepaar mit viel Gepäck an den Rädern. Sie photographieren uns an dem Ort, wo vor drei Wochen die Deutschland-Umrundung begann, im Nieselregen. Jetzt haben wir genau 3.925 km hinter uns und sind an demselben Ort, im Sonnenschein. Die große Schleife ist geschlossen. Es ist, als hätten uns die gelb blühenden Rapsfelder ständig begleitet.